Anton Beck,

Bauer in Zußdorf
geboren 1924 in Wechsetsweiler
1942 eingezogen zum Kriegsdienst
1946 Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft
Seit 1947 Blutreiter; zunächst bei den Blutreitergruppen Ringgenweiler und Zogenweiler
1954 Stellvertretender Gruppenführer der Blutreitergruppe Zußdorf und
von 1956 – 2006 deren Gruppenführer

Mitglied der Blutfreitagsgemeinschaft Weingarten

Zußdorf

Zußdorf kenne ich schon lange. Bei den Großeltern, bei Tante und Onkel auf dem Hof, habe ich unvergessene Ferienzeiten verbringen dürfen, voller Abenteuer, eingebunden in den bäuerlichen Tageslauf, ausgerichtet nach Essenszeiten und Betläuten, aber in herrlicher Freiheit.In eben jenem Zußdorf wohnt auch Anton Beck, der Gruppenführer der Blutreitergruppe. Wir sitzen in der Stube mit Blick auf die gegenüber liegende Kirche und Anton Beck beginnt seine Blutfreitagsgeschichte zu erzählen.

Der Schulbub

 

Am Karfreitag des Jahres 1924 kam Anton als viertes von elf Kindern der Bauersfamilie Josef und Kreszentia Beck in Wechsetsweiler auf die Welt. Achtzig Morgen umfasste der große elterliche Hof und das Leben der Familie war geprägt von der harten Arbeit, die in aller Herrgottsfrühe begann und oft bis spät in die Nacht hinein andauerte.
Zwei Knechte standen im Dienst des Bauern und mit Pferden, Ochsen und wenigen Maschinen wurde „d’r Hof um’triebe“.
Natürlich musste auch Anton schon als „Schulerbub“ kräftig und zuverlässig mit Hand anlegen, „des war selbstverständlich und überall so“. Und wollte er nicht zu spät in die Heilige Messe kommen, die Tag für Tag vor Schulbeginn gefeiert wurde, musste er allerspätestens um sechs Uhr in der Früh’, etwa „beim Gras auflade’ und nachreche’“, seinen Mann stehen. Der betagte und strenge Pfarrherr nämlich duldete weder Zuspätkommen noch Fernbleiben und wertete jede noch so begründete Entschuldigung nur als faule Ausrede ...
Für den Lehrer hingegen war der allmorgendliche Kirchgang unnütz vertane Zeit. Er hielt es mit den Ideen der braunen Machthaber. Und das daraus resultierende Spannungsverhältnis zwischen Pfarrer und Lehrer wurde nicht selten auf dem Rücken der Schüler ausgetragen.
Antons Vater, Josef Beck, der auch das Amt des Gemeindepflegers innehatte und „it mit’tue’ hat im 3. Reich“, wurde entlassen.

 

Rosenkranz und Heilig' Blut

Alle Mühsal, alle Freuden, der Alltag und die Feste – sie waren eingebettet in einen tiefverwurzelten Glauben. Dies war das tragende Fundament des Lebens auf dem Beck-Hof: „D’r Rosenkranz und ’s Heilig’ Blut“.
Jede noch so dringende Ar­beit wurde zurückgestellt, eine Wallfahrt nach Wein­gar­ten zu machen, das Heilige Blut zu verehren, am Blutritt teilzunehmen und den Rosenkranz zu beten, um Familie und Haus und Hof unter Gottes Schutz zu stellen.
Jedes Jahr richtete der Vater an Christi Himmelfahrt "'s Berner Wägele" her. Im „Goldenen Adler“, einer bekannten Ravensburger Bauernwirtschaft am Untertor, bezog er Quartier und ritt in der Frühe des Blutfreitags mit seiner Blutreitergruppe nach Weingarten.
Wie gerne hätte Anton den Vater begleitet, aber damals war es noch „nicht üblich, dass d’Bube’ mitg’ritte’ sind“.
Allerdings weiß Anton Beck von einer anderen Glaubenstradition:

Einem alten Gelübde folgend unternahmen die Wechsetsweiler alljährlich am Mittwoch nach dem Pfingsttag eine Fußwallfahrt zum Heiligen Blut und „von jedem Haus war jemand dabei“. Abmarsch war um drei Uhr morgens und um sechs Uhr hatte man nach drei Psalter-Gebeten das Ziel erreicht: 

Die Heilig-Blut-Reliquie in Weingarten.

Nach Beichte und Messfeier und einer kleinen Stärkung zog man betend zum Kreuzberg und von dort aus wieder der Heimat zu. Diese Tradition hat sich bis heute erhalten „bloß laufet se ni’meh“!

Der Krieg

 

Fünfzehn Jahre war Anton Beck alt als der mörderische Weltkrieg ausbrach und nur für Augenblicke sollte Wechsetsweiler noch verschont bleiben. Dann begann der Krieg auch hier unerbittlich seinen Tribut einzufordern:

Als erstes musste Anton sein von ihm aufgezogenes, dreijähriges Pferd abliefern. Er hatte es schon so weit eingefahren, dass es „im Pferderechen als Einspänner“ lief. „Des hat mir als Bub sehr weh’ tan“. Demgegenüber fiel die Ablieferung von Kühen, Schweinen, Getreide und Milch zumindestens für ihn weniger ins Gewicht.

Dann wurde sein älterer Bruder und wenig später der Pferdeknecht eingezogen, Anton musste deren Arbeit schultern und 1942 war „i’ an d’r Reih’“. Nach „Russland hab’ i’ müsse’. “Was Anton Beck in den folgenden Kriegsjahren erlebte, erfüllt ihn heute noch mit Schrecken und Leid. Doch in einem, da ist er sich sicher und betont es immer wieder: Ohne den im Elternhaus gelebten Glauben, ohne Rosenkranz und die Hilfe des Heiligen Blutes „hätt’ i’ des alles it überlebt“:

Mehrmals wurde er lebensgefährlich verwundet, mit Scharlach und Fieber in Lazarette eingeliefert, in denen unvorstellbare Bedingungen herrschten. Mehrfach wurde er operiert ohne Desinfektions- und Betäubungsmittel.

Eine Woche vor dem Blutfreitag des Jahres 1946 kehrte Anton aus französischer Gefangenschaft nach Wechsetsweiler zur Familie zurück. Der frühe Tod des Vaters und der Tod des Bruders 1942 in Russland belasteten ihn schwer. „Sechs Woche’ hab’ i’ nichts schaffe’ könne’“, so schwach war er. Doch die Mutter umsorgte ihn und wieder war es das Rosenkranzgebet und die Bittrufe zum Heiligen Blut, die ihm Kraft und Durchhaltewillen schenkten.

 

Traditionen weitergeben

 

Auf dem Zuchtviehmarkt in Riedlingen haben sie sich kennen gelernt – Anton Beck und Ida Pfefferkorn, die von einem Bauernhof aus Zußdorf stammte.
Frau Beck erinnert sich: „Pfefferkorns sind am Blutritt nie g’ritte’. Mir waret ja bloß zwei Mädle und d’r Vater war bei der Musik!“
Mit Anton nun sollte die Blutfreitagstradition bei Pfefferkorns und in der neuen Familie aufleben, das stand für ihn von Anfang an fest.
Im Jahre 1950 wurde geheiratet und mit großer Freude hießen ihn die Zußdorfer Blutreiter in ihren Reihen willkommen. 1954 übertrugen sie Anton die Verantwortung als stellvertretender Gruppenführer und 1956 ritt er erstmals als stolzer Gruppenführer den Zußdorfern voran.
Von Anfang an unterstützte Frau Beck das blutfreitägliche Tun ihres Mannes nach Kräften. Und die Heilig-Blut-Verehrung, der er aufgrund seiner Lebenserfahrung so fest vertraute, wurde auch Wegweiser und Halt für die junge Familie – zusammen mit dem Rosenkranzgebet, das auch bei Pfefferkorns seit jeher zum Leben>gehörte. Dabei blitzt der bodenständige Humor von Frau Beck auf:„Acht Kind hand mir, Stall und Vieh und d’r Vat’r isch an Christi Himmelfahrt ’gange’“ ... und sie musste zu Hause nach dem Rechten sehen.Aber einmal, ihr Mann musste sich über Blutfreitag einer unaufschiebbaren Operation unterziehen und ein Betriebshelfer war eingesprungen, wollte Frau Beck die Gelegenheit beim Schopfe packen und das Hochfest hautnah miterleben. Aber ein an sich glücklicher Umstand hat dies verhindert: „Eine Kuh hat ’kälbret’“. Inzwischen hat Anton Beck schon längst die Blutreitertradition an seine Söhne weitergegeben.

 

Gruppenführer

 

Ein halbes Jahrhundert Gruppenführer – Beck schöpft reiche Erfahrung. „’s braucht viel Diplomatie“ mit den Blutreitern und allen, die sich um einen gelingenden Blutritt sorgen. Und „Blutfreitag ist eigentlich ’s ganz’ Jahr“.
Er hebt vor allem den guten Kontakt zu den Quartiergebern um Roland Höhn vom Hähnlehof hervor: „Zuvorkommend und zuverlässig“ und manch schönes Fest wird dort bis heute in froher Runde gefeiert.
Die Pferdebeschaffung, der Transport und die Zuordnung von Reiter und Pferd stellt sich als weites Aufgabenfeld dar, das gewissenhaft bearbeitet werden muss.

„In Zußdorf steht kein einziges Pferd mehr“ und „’it jedes Pferd passt zu jedem Reiter“.

Während des Blutritts „im Esch muss ma’ auf’s Bete’ achte’ im Wechsel mit ’m Pfarrer“, auf die Andacht und den Gleichklang während des Rosenkranzgebetes. Dass jeder Reiter sein Liedblatt vor dem Ritt in den Gehrock steckt, versteht sich von selbst!
„Wie des schö’ war!“ Beck erinnert an einen beeindruckenden Blutritt, als die Zußdorfer direkt vor dem Hl. Blut reitend in besonderer Weise die segensreiche Kraft der kostbaren Reliquie spüren konnten, die auf die Menschen und das Land ausstrahlt wie seit Jahrhunderten.
Natürlich hat ein Gruppenführer auch auf die Kleiderordnung seiner Reiter zu achten, Schabracke, Sattel und Zaumzeug müssen richtig sitzen. Und die Nachtwache muss auch zu mitternächtlicher Stunde auf Mensch und Tier ein wachsames Auge haben. Sonst müsste man des Morgens auf den Wiesen die Pferde einfangen, „wär’ des eine Mordskommede“.
Aber in punkto Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit lässt Gruppenführer Beck auf seine Reiter nichts kommen.

 

Wie ein Wunder

Alles war gut gegangen „d’r ganz’ Blutritt 2004“. Die Zußdorfer Blutreitergruppe erwartete die Rückkehr des Hl. Blutes auf dem äußeren Klosterhof. Da geschah Unerwartetes.
Beim Aufsitzen scheute das Ross des Gruppenführers und Beck, noch nicht im Sattel, stürzte schwer auf das Pflaster. Notärztlich versorgt wurde er mit schweren Verletzungen auf die Intensivstation eingeliefert.
Gerade diesen Blutritt hat Frau Beck, nichts ahnend, miterleben können. Mit der Haushälterin von Pfarrer Weber, der an diesem Blutfreitag Geburtstag hatte, war sie nach Weingarten gepilgert und wollte sich mit ihrem Mann im Quartier treffen.
Erst als sie auf die Frage eines Blutreiters „wie geht’s au’ ihrem Ma’?“ erschrocken und verständnislos reagierte, erfuhr sie vom tragischen Geschick ihres Mannes. „Zum Feschte’“ war dann niemandem mehr zu Mute. 
Dass dieser blutfreitägliche Reitunfall rückblickend bei aller Beschwernis wie durch ein Wunder „noch glimpflich ab’gange’ ist“ dankt Beck allein der Hilfe des Hl. Blutes. 
Mit seiner Blutfreitagsgeschichte bezeugt Anton Beck sehr anrührend und kompetent die Glaubenserfahrungen als Blutreiter, aus denen er zeitlebens Kraft und Hilfe geschöpft hat. Darin ist er verwurzelt – zutiefst glaubwürdig und beeindruckend.

 

Herzlichen Dank Anton Beck

 

M. Roth