H.H. Pfarrer, i. R. Geistlicher Rat

Josef Mandel,

geb. 1933 in Bachenau bei Heilbronn

1933 Umzug der Lehrersfamilie nach Weingarten 
1960  Priesterweihe in Rottenburg und Primiz in der Basilika Weingarten
1963  25 Jahre Blutreiter bei der Gruppe Waltershofen
1965  Pfarrer in Jebenhausen, Orts- und Gaupräses der KAB
1997  Dekan
1980  Pfarrer in Offingen und damit Bussenpfarrer, Kreisdekan
Mitglied im Diözesan und Priesterrat Rottenburg,
1993  Ehrenbürger, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Geistlicher Rat
1997  Heimkehr ins Elternhaus in die Gutenbergstraße in Weingarten
2001  Eintritt mit seiner Schwester, Frau Maria Mandel, in die Blutfreitagsgemeinschaft
 gest. 2004  in Weingarten

Dank

In großer Dankbarkeit erinnern wir uns in den diesjährigen Blutfreitagsgeschichten an H. H. Pfarrer Josef Mandel, den Blutreiter und großen Verehrer des Heiligen Blutes. Als alter Weingärtler war er den Menschen aus Stadt und Land  bis zuletzt ein herzlich verbundener Seelsorger, Weggefährte und Freund. Unvergessen bleibt er uns als sprachgewaltiger Festprediger des Hl.-Blut-Festes und als mitreißender Vortragsredner unserer Hauptversammlung – mit seinen historischen Dias des Blutfreitags und unserer Heimatstadt. Als geistlicher Leiter prägte und bereicherte er unsere Wallfahrten. Mit Freude lauschten wir seinen humorvollen Erzählungen und sangen mit ihm die alten Lieder. Begeistert reiste er mit uns nach Mantua.

Den „Sacri Vasi“, der Mantuaner Hl.-Blut-Verehrung und ihrer Ausgestaltung, galt seine interessierte, tiefe Zuwendung – H. H. Bischof Egidio Caporello und den Mantuaner Freunden. „Don Giuiseppe“ wurde ein wichtiger Wegbegleiter der Partnerschaft mit Mantua, auch als Repräsentant der Weingartener Geistlichkeit.

Hier wie dort ging H. H. Pfarrer Mandel mit einer besonderen Begabung offen und herzlich auf die Menschen zu, knüpfte Verbindungen und stiftete Gemeinschaft.

Die Erzählungen seiner Schwester, Frau Maria Mandel, und seine persönlichen Aufzeichnungen „Pfarrer Josef Mandel und die Verehrung des Heiligen Blutes“, die er mir überlassen hat, bilden die Grundlage für diese Blutfreitagsgeschichte.

 

Unterland – Oberland

 

Im Jahre 1933, Sommer war’s, zog die Lehrerfamilie Mandel vom ländlich geprägten Bachenau bei Heilbronn nach Weingarten. Der Mutter tat dieser Ortswechsel „vom Unterland ins Oberland“ wohl weh, doch er war notwendig geworden:

Die Kinder „sind halt ’rauf g’wachse’“ und „Internat hätt’ d’r Vater mit sei’m Lehrergehalt it v’rzahlt“. Also musste ein Wohnort mit guter Anbindung an eine Schullandschaft gesucht werden, die den Kindern den Besuch eines Gymnasiums ermöglichte.

Dieser Begründung in seinem Versetzungsgesuch fügte Lehrer Mandel eine Reihe von Dienstorten bei, die diese Voraussetzungen erfüllten. Dass letztlich die neue Heimat „Weingarten“ hieß, sei getrost als gute Fügung betrachtet, „des Weingarten im Oberland“ mit örtlicher Volksschule, Klosterschule und naheliegendem Gymnasium!

Zunächst wohnte man beim „Glaser Stoll“ in der Liebfrauenstraße, um dann endlich das neu erbaute Heim in der Gutenbergstraße zu beziehen, in die Nachbarschaft der Promenadeschule, wo Lehrer Mandel dann auch unterrichtete.

 

Die Mutter

Neun Kinder zählten Mandels schließlich, von denen das Jüngste „z’Weingarte’ auf d’Welt ’komme’ ist“ und die sieben Buben und zwei Mädchen brachten neben aller Freude besonders für die Mutter einen Haufen Arbeit von morgens früh bis spät in die Nacht.

Auch der Neubau in der Gutenbergstraße stellte eine enorme zusätzliche Belastung dar. Und die Sorgen des Alltags um Familie, Haushalt und das Fortkommen der Kinder mussten selbstverständlich auch gemeistert werden. Bei alledem plagte die Mutter in stillen Stunden immer wieder das Heimweh nach der alten Heimat.

Dass „des alles g’ange isch“ dankte die Mutter der Hilfe des Hl. Blutes, daran hat sie inniglich geglaubt. Kein Tag, an dem sie nicht die vielen Treppenstufen hinauf zum Münster gestiegen wäre, um die Sechs-Uhr-Messe auf dem Martinsberg mitzufeiern – kein Tag, an dem sie ihre Familie nicht dem Schutz des Hl. Blutes anvertraut hätte.


„Im Unterland war d’r Blutritt ’it so bekannt ...“, dies allerdings sollte sich alsbald ändern: Begeistert erzählte die Mutter vom Weingartener Hochfest und weckte besonders bei den Pfarronkeln –„ein Onkel war Jesuit, d’r and’r’ Pfarrer“ – ein neugieriges Interesse an dieser ganz einmaligen Art der Reliquienverehrung.

 

Von nun an hieß es „Zusammenrücken“ und „Notbetten aufstelle’“ im Hause Mandel. Spätestens an Christi Himmelfahrt trafen die Pilger ein und wurden, wie in so vielen Weingartener Familien bis zum heutigen Tag, herzlich willkommen geheißen.

Schon früh wurde die Familie Mandel – auf Betreiben der Mutter hin – Mitglied in der HBB, der Heilig-Blut-Bewegung. Die Hl.-Blut-Verehrung der Mutter war Pfarrer Mandel seit Kindesbeinen an vertraut und prägte ihn bis zu seinem Tod.

Ministranten

„Pater Frowin als Blutreiter“, diese aufrechte und bestimmende Gestalt des Blutfreitags faszinierte alle, die ihn auf dem Klosterhof und während des Blutritts, erlebten und prägte sich auch dem kleinen Josef unauslöschlich ein. Während des Krieges wurden der „Bruder Adolf und i’“ dann auch zum Ministrantendienst berufen. Den Buben diesen Dienst am Altar bis ins kleinste zu lehren, oblag der gestrengen Obhut von Bruder Paschalis Haiss OSB, der zumindest in seinen späteren Jahren mit seinem gewaltigen Rauschebart Gottvater nicht unähnlich erschien. „Vor dem hand mir ein Heide’ Respekt g’hett.“ Aber bald wurde Bruder Paschal eingezogen und konnte seinen Mesnerdienst erst wieder nach der Gefangenschaft ausüben.

Wenn des Abends stets die Hl.-Blut-Reliquie behutsam dem Hl.-Blut-Altar entnommen und in ein „wertvoll’s Kästle aus Samt“ gebettet wurde,

trug der Mönch den kostbaren Schatz voll tiefer Ehrfurcht in seine Schlafstube „neben dem kirchennahen Raum“, um ihn dort sicher zu verwahren: „Ein frommer Nacht-Wächter des Heiligen Blutes“.

 Am Blutritt des Jahres 1946 war es dann so weit. Mit Stolz geschwellter Brust trugen „d’r Adolf und i’“ in der ersten Reihe Kreuz und Fahne, wobei die Buben bei aller Andacht und Würde schon darauf achteten, dass sie von ihren Pfarronkeln und der Verwandtschaft auch gesehen und ob ihrer beschwerlichen weiten Fußwallfahrt gebührend bewundert wurden.

 „Auf ’em Esch hand mir die Fahnen g’schultert“ und am Weltehof stellte eine gute Seele alljährlich einen respektablen Vesperkorb auf, aus dem sich die Ministranten für den Weg zum Martinsberg tüchtig stärken konnten.

 

 Studium

Während des Theologiestudiums in Tübingen und München setzte Josef Mandel alles daran, den Blutfreitag in Weingarten mitzufeiern.

 

Was „erstaunlicherweis" auch immer gelang, zeigten die Professoren doch wohlwollendes Verständnis für den frommen Wunsch ihres eifrigen Studenten. Bis auf das Jahr 1959 ...

Genau an diesem Blutfreitag hatte Josef Mandel als angehender Priester an den verpflichtenden Eröffnungs- und Einführungsveranstaltungen des Priesterseminars teilzunehmen. Die Wallfahrt zum Heiligen Blut wurde dadurch ganz und gar unmöglich gemacht. „Des hat mich schwer ’druckt“ und er erbat sich ein Gespräch mit dem Regens, um dem hohen Herrn seine Not darzulegen, „vielleicht tut sich doch noch ein Türle auf“.

Allein – der Wunsch war vergebens vorgetragen. Wie inbrünstig und geschickt Josef Mandel auch argumentierte, der Regens ließ sich nicht erweichen. Freilich gab er dem Seminaristen eine hilfreiche Sichtweise mit auf den Weg: „Sehen Sie es als gutes Zeichen für Ihre Berufung! Es ist doch ein Segen, dass so viele Menschen in Ihrer Heimat beim Heiligen Blut beten, wenn Sie das Priesterseminar beginnen!“

Am 18. April feierte Josef Mandel am Hl.-Blut-Altar auf dem Martinsberg Primiz – „das Heilige Blut“ auf dem Primizkelch eingraviert. 

 

Der Blutfreitag

 Während der Vikarszeit ließ sich die Wallfahrt in die Heimat zum geliebten Blutfreitag nur sehr schwerlich einrichten. Zum einen fanden in den jeweiligen Gemeinden eigene Bittprozessionen statt, die Vikar Mandel organisierte und leitete, aber auch die vielen Schülerinnen und Schüler, denen er Religionsunterricht erteilte, konnte man „’it so einfach heimschicken“. Zum Glück dauerte die trostlose, die blutfreitagslose Zeit, nicht gar zu lange und als der Vikar „als Pfarrer von Göppingen-Jebenhausen selbständig“ wurde, begeisterte er alsbald eine größere Anzahl der ihm anvertrauten Schäflein für den Blutfreitag. So kam es, dass im Jahre 1964 erstmals die Jebenhausener mit ihren Autos gen Weingarten strebten.

Natürlich konnte das elterliche Haus den Ansturm nicht ganz fassen. Gleichwohl „hand mir einige auf Notbetten unter’bracht“ und die anderen nächtigten halt in ihren Autos.

An diesem Blutfreitag regte sich in Pfarrer Mandel der unbändige Wunsch, ein Blutreiter zu sein, ganz nahe dem heiligen Geschehen. Diesen Wunsch erfüllte dann, nur ein Jahr später, der Freund „Otto Schmid, mein Primizprediger“! Herr Pfarrer Schmid hatte sich an die Blutreitergruppe Waltershofen gewandt, und dort wurde Pfarrer Mandel als Blutreiter mit offenen Armen willkommen geheißen.

 

Der Blutreiter

Fünfundzwanzig Blutfreitage sollte Pfarrer Mandel als Blutreiter der Gruppe Waltershofen erleben, um dann im Jahre 1989 mit Silbermedaille und Ehrenurkunde ausgezeichnet zu werden, „darauf bin i’ b’sonders stolz!“

Doch wie bei jeder blutreiterlichen Karriere stehen Wagnis und Mühe am Anfang, erste Annäherungen ans Pferd, erste Reitversuche und Reitstunden, Proberitte ... „Obwohl mir’s it so geheuer war, hat’s eigentlich ganz gut ’klappt’“. Kein Wunder, die Mutter hat immer gebetet „so lang’ d’r Bub auf dem Pferd saß“. Und dann endlich, der erste Blutritt, als Pfarrer der Gruppe Waltershofen und „g’regnet hat’s“. Der Himmel hielt die Schleusen geöffnet vom Abritt bis zur Rückkunft ins Quartier. Unser geistlicher Blutreiter war nass bis auf die Haut und heilfroh, den ersten Ritt unbeschadet überstanden zu haben. „Nach dieser Taufe sagte ich: Jetzt reit’ ich weiter, schlimmer kann’s nicht mehr kommen“.

Nie hat es sich Pfarrer Mandel, seit 1980 Bussenpfarrer, nehmen lassen, seine Gruppe am Himmelfahrts-Abend zu besuchen. Bald ließ er sich eine wertvolle Blutfreitagsstola anfertigen, auf der neben den Symbolen von Brot und Wein das Heilige Blut und die Basilika eingestickt sind.

Von seinem Jubiläumsritt berichtete er, dass diese Ehre das Pferd „it b’sonders interessiert hat“. Auf dem Öschweg warf es seinen Reiter ab und galoppierte auf und davon. Hätte nicht ein junger Blutreiter blitzschnell reagiert und das Pferd eingefangen, Pfarrer Mandel hätte den Blut­ritt zu Fuß bewältigen müssen, wie vor Jahrzehnten als Ministrant.

Dies sollte der letzte Blutfreitag sein, den Pfarrer Mandel als Blutreiter erlebte. Nach einem Herzinfarkt rieten ihm die Ärzte dringend von weiteren Ritten ab. „Das war sehr hart für mich“. Die Hl.-Blut-Verehrung als Reiter und seine Gruppe Waltershofen waren ihm „sehr an’s Herz gewachsen“. 

Nun war Pfarrer Mandel wieder ein „normaler Pilger“, der getreu alljährlich „vom Bussenberg zum Martinsberg“ wallfahrte und dabei unermüdlich für alle lebenden und verstorbenen Mitreiter betete „bis heut’“!

 

Besonders in Not und Krankheit verspürte er die Hilfe des Heiligen Blutes und die Mitfeier der Heiligen Messe am Hl.-Blut-Altar und der Krankensegen gaben ihm bis zuletzt viel Kraft.

 

Seine Aufzeichnungen enden mit einem Gebet: „O heiliges Blut – Strom des Lebens – Strom der Kraft – Strom der Liebe – heile mich – heilige mich – rette mich. Besser kann ich meine Gedanken zur Verehrung des Heiligen-Blutes nicht zusammenfassen.“

 

Am 13. Juli 2004 wurde Pfarrer Josef Mandel zu Grabe getragen. Unzählige haben ihn auf seinem letzten Weg begleitet.