Karl Hofmann

Karl Hofman

Jahrgang 1928

Gastwirt zum Eck in Binzwangen an der Donau

Gruppenführer von 1972 - 2005

55maliger Blutreiter

Mitinitiator des Wendelinritts in Beuren

Die Gaststube vom Eck in Binzwangen ist neu renoviert. Es ist früher Samstagnachmittag. Karl Hofmann steht am Tresen, füllt Gläser und versorgt seine Stammgäste mit frischem, schäumendem Bier. Seine Tochter werkelt in der Küche. Sie löst ihn ab und Karl Hofmann hat Zeit, seine Blutfreitagsgeschichten zu erzählen.

 

 
 

Sechs Generationen

Die Familie Hofmann betreibt das Gasthaus, dem früher auch eine Landwirtschaft und eine Metzgerei angegliedert waren, nunmehr in der sechsten Generation. Und auch Karl kam hier 1928 auf die Welt. In eine harte, entbehrungsreiche Kinder- und Jugendzeit wurde er da hineingeboren und „schaffe’ han i’ müsse’ seit i’ denke’ ka’!“ Der Vater, von dem der Pfarrer einst am Grabe sagte: „Er war ein guter Metzger, ein rauer Mensch und ein gläubiger Christ“, ist bis zum heutigen Tage die prägende Gestalt im Leben des Karl Hofmann geblieben. Er weiß, dem Vater ist es zu danken, dass das Gasthaus zum Eck, Heimat und Lebensgrundlage für viele Generationen, noch heute besteht.

Im Zuge einer Erbauseinandersetzung drohte das Gasthaus unterzugehen. Die Ersparnisse reichten bei weitem nicht aus, das Erbe in der Familie zu halten und der Vater wagte das Risiko: Sechs Kühe und ein Pferd brachte er zum Verkauf. Aber „’s hat halt trotzdem hinte’ und vorne it g’reicht!“.
Erst der Erlös aus dem Verkauf „vom Häge vo’ mei’m Onkel“ brachte endlich die ersehnte Gewissheit: Das Eck war gerettet. Nur langsam erholte sich die Familie von diesem „Aderlass“. Vor allem der Verkauf der Tiere war kaum zu verkraften. Aber „irgendwie isch es ’gange’“. Und schon damals gab das vertrauensvolle Gebet der Mutter und die Verehrung des Heiligen Blutes der Familie die Kraft und Zuversicht, diese schwere Zeit zu überstehen.

 

Lehrjahre

In die Fußstapfen des Vaters sollte Karl treten, um später einmal die elterliche Metzgerei samt Wirtschaft und Landwirtschaft zu übernehmen. Darauf hat der Vater fest gebaut „was ander’s isch gar it in Frag’ komme’.“ Also erlernte Karl das Metzgerhandwerk. In Lindau hatten sie eine Lehrstelle gefunden. Und das war sein Vorteil: „I’ han schaffe’ könne’!“
So führte er zuverlässig stets mehrere Stück Vieh zur Schlachtbank. Vielleicht erschien der Weg an diesem Tag besonders weit und beschwerlich – wie dem auch sei „d’r Lehrbua“ hatte eine glänzende Idee, die er auch alsbald in die Tat umsetzte. Einen Ochsen hatte er sich als Reittier auserwählt und sich frohgemut auf den breiten Rücken geschwungen. Allein dem Genuss folgte die Reue auf dem Fuße: „An Polizei hat mi’ a’zeigt – wege’ Tierquälerei“. Und das passierte ihm, der von Kindesbeinen an gewohnt war, mit Tieren in der rechten Weise umzugehen. „Des war mein erster Strafzettel“ und in Folge gab es „allerhand Umständ’“ – auch war ihm das Ganze über alle Maßen peinlich.
Ernsthafte Folgen indes hatte dieses Abenteuer glücklicherweise nicht.
Eine andere Pflichtvergessenheit sollte weit spürbarere Konsequenzen nach sich ziehen: Sonntag für Sonntag oblag es dem Lehrbuben, die Metzgermesser zu schleifen. Diese Arbeit erforderte große Sorgfalt und Zuverlässigkeit. Darauf musste sich der Meister verlassen können. Der Montag war Schlachttag und fachgerechtes Zerlegen erforderte scharf geschliffene Messer.
Als Karl in der Nacht zum Montag aus dem Schlaf schreckte war es schon zu spät, er hatte die Messer des Meisters über eine sonntägliche Unternehmung ganz und gar vergessen. Am Montagmorgen vollführte jener ein fürchterliches Donnerwetter! „Wenn man will ins Schlachthaus fahren, muss man scharfe Messer haben“ – einhundert Mal musste der verzweifelte Sünder diesen Satz schreiben – bis heute hat er ihn nicht vergessen.

Krieg

Familie Hofmann 1947

Beim „Schwarzmetzge’“ hatten sie ihn 1944 erwischt und gnadenlos angezeigt. Und gnadenlos wurde die Strafe verhängt: 90 Tage Bewährungskompanie für den 16jäh­rigen. Alle empfanden dieses Strafmaß als zutiefst ungerecht und sinnlos. Voller Schmerz war der Abschied von der Familie.

Nach den endlosen schrecklichen 90 Tagen musste Karl zur Eisenbahnflak einrücken und geriet im April 1945 in amerikanische Gefangenschaft. In Fürstenfeldbruck „bin i’ abg’haue“. Hungrig und barfuss hatte er nur einen Gedanken: „I’ will hoim!“ Bei Bauern fand er Unterkunft, in Schuppen und Feldern hielt er sich versteckt und als die Heimat zum Greifen nahe schien, war sie doch unerreichbar: Inzwischen war Binzwangen französische Besatzungszone. Endlich, versteckt auf einem „Dreirädler-Lastwagen“ gelang es ihm, unentdeckt die Heimat zu erreichen. Das Vaterhaus lag verschlossen. „Über d’r Saustall bin i’ nei’komme’“ und dann stand er unvermittelt vor seinen Eltern, die still in der Gaststube saßen. Im ersten Augenblick sahen sie ihn „wie versteinert“ an. Für sie war es ein Wunder, dass der Bub den Schrecken des mörderischen Krieges entronnen war. Groß war die Freude!

Noch heute ist Hofmann überzeugt, dass er seine Heimkehr der Hilfe des Heiligen Blutes verdankt.Als der Vater mit seinem Fuhrwerk tödlich verunglückte, „hon i’ mit d’r Mutter weiterg’macht“. Man schrieb das Jahr 1949.

 

 Das Gelübde

Nach Familiengründung und Übernahme des elterlichen Betriebs ging zunächst alles den geplanten Gang: Kinder kamen auf die Welt, Baumaßnahmen wurden vorangetrieben und zudem übernahm Hofmann die Leitung der Metzgerei-Produktion „beim Selbi in Mengen“, während die Ehefrau „treu, redlich und erfolgreich“ die Gastwirtschaft führte. „G’schafft han’ mir bis in d’Nacht!“ Dabei war man zufrieden. Alles hatte seine gute Ordnung.

Bis zu jenem schicksalsschweren Tag, an dem diese Welt aus den Fugen zu geraten drohte. Als Hofmann sein Auto aus der Scheuer fuhr, geriet sein kleiner Bub unter die Räder und wurde schwer verletzt. Unbemerkt war er dem Vater nachgerannt. Es war ein „harter Schlag ins Gesicht“: I’ hon mein eigene’ Sohn überfahre’.“ Gott sei Dank „hond mir g’wisst, was Glaube’ heißt“. Der Glaube hat geholfen, diese schwere Zeit zu meistern und die feste Zuversicht auf die Hilfe vom Hl. Blut, die sie schon so oft im Leben erfahren hatten. Damals legte Hofmann sein Gelübde ab, als Blutreiter das Hl. Blut zu verehren „so lang’ i gange’ ka!“ Der Bub blieb am Leben und Hofmann ist überzeugt: dies ist dem Hl. Blut „zu v’rdanke’“! Bis heute hält er sein einst gegebenes Wort als Blutreiter, der sich in vielfältiger Weise für das Hl. Blut und den Blutfreitag einsetzt.

 

Klösterliche Beziehungen

Ein Gruppenführer „muss es mit de’ Leit’ kenne’!“ Und dies ist zweifellos eine ganz besondere Begabung des Gruppenführers Hofmann. Eine enge und für’s blutfreitägliche Leben überaus wertvolle Beziehung pflegte er zu dem großen Verehrer des Heiligen Blutes, dem Hl.-Blut-Reiter, Mönch und Stadtpfarrer Pater Basilius Nägele OSB, ein „Ma’ mit Mark und Knocha!“ Auch erinnert er sich gern an die markante Gestalt eines Pater Frowin Wick OSB, den redegewaltigen Benediktiner, der anlässlich einer Gruppenführerversammlung, die bis 1953 im Gasthaus Sonne abgehalten wurden, den eingängigen Satz prägte: „Heut’ hör’ ich die Pferde schon im Geiste wiehern!“
Hofmann erzählt auch vom liebenswerten Bruder Pius Bucher OSB, der es sich nicht nehmen ließ, die Pferde mit Flieder zu schmücken und sich mit Hingabe um das Wohl der Blutreitergruppe zu kümmern. Bruder Pius und auch der frühere Pater Placidus Kreuzberger OSB haben die Binzwanger Blutreiter schon beim Blutritt begleitet.
Überhaupt haben ihm die Mönche des Benediktinerklosters Weingarten, und er betont „bis heut’“ mit ihrem Wirken und Leben tief beeindruckt: „Die Pater z’ Wei’garte’ waret uns immer Hilf’ und Orientierung.“

Pater Basilius

Karl Hofmann und Pater Basilius

Bei den Festen und Feiern der Blutreitergruppe beeindruckte immer wieder Pater Basilius, mit einer „umschwärmten Predigt“, oder mit einem sinnstiftenden Wort: „Es ist gut, wenn eine Gemeinschaft für ein Dorf reitet!“ Mit seiner legendären Präsenz machte er jedes Fest zum unvergessenen Ereignis.
Einmal hatte Hofmann ihm zu Ehren eine Kutschfahrt organisiert – vierspännig mit Schimmeln, den Lieblingspferden des Geistlichen. Mit von der Partie war auch der damalige Gruppenführer Hugo Habisreutinger, „ein Mann von hartem Kern“ und hurtig trabte man am „Hoh’ Michele“, der alten Keltengrabstätte vorbei, der Domäne Dollhof zu.
Als dann auf jener Anhöhe ein Freund Hofmanns auf der Trompete: „Die Post im Walde“ zum Besten gab, „haben mir alle nasse Auge’ g’het.“
Die abschließende Dankandacht hielt die Festgesellschaft in der Kapelle des Dollhofes ab, mitgestaltet von einem Männerchor. Hofmann hatte dieses Auftritt eingefädelt, denn „nach d’r Singstund’ kehret die immer bei mir ei’!“ Pater Basilius war dann auch vom feierlichen Gesang überhaus angetan: „Euch tät’ i’ am liebsten mitnehmen!“ bekundete er begeistert. Eigentlich war in diesem Augenblick der „Dollhof-Chor“ geboren, den Hofmann 1989 zum ersten Mal nach Weingarten brachte. Seit jenem Jahr singt der Dollhof-Chor zur Ehre Gottes, des Heiligen Blutes und zur Erbauung der Gläubigen in der Hl. Messe am Ostermontag, die der Gruppenführerversammlung vorausgeht. Verbunden mit herzlichem Dank gratulieren wir zum 20jährigen: „Auf viele Jahre!“
Ein Jahr zuvor ereignete sich auf dem Rücktransport vom Blutfreitag nach Binzwangen ein folgenreicher Unfall. Hofmann war nur kurz eingenickt und in den Graben gefahren. Rosse und Reiter überstanden das Malheur unbeschadet, aber das Auto hatte „Totalschaden“. Es folgte Anzeige und Gerichtsverhandlung. Statt eines kostspieligen Anwalts sprang Pater Basilius seinem Freund zur Seite. Mit einem ebenso ausführlichen und geschliffenen wie feurigen Plädoyer klärte er die Richterin einerseits detailliert über den Blutfreitag auf, andererseits stellte er den hohen und anstrengenden Einsatz der Blutreiter und insbesondere der Gruppenführer heraus. „Da hat se’ ni’me’ viel sage’ könne’!“ Dementsprechend milde fiel das Urteil  aus.

 Quartiere

 

Zu den wichtigsten Obliegenheiten eines Gruppenführers zählt zweifellos die Sorge um die Bereitstellung eines guten Quartiers für seine Reiter und deren Pferde. Kontakte müssen geknüpft und Verbindung über Jahre tragfähig erhalten werden zum Quartiermeister und zu den „Quartiersleuten“. „Mit de’ Quartier habe’ mir immer Glück g’het!“ Ein aus heutiger Sicht ganz bemerkenswertes Quartier war die Brauerei zum Stern in Weingarten. Nicht so sehr hinsichtlich der Unterbringung im alten Brau­haus und im Ökonomie­gebäude, vielmehr im Hin­blick auf eine abendliche, sehr beliebte Veranstaltung. Im großen Saal der Brauereiwirtschaft wurde nämlich über viele Jahre zum Tanz aufgespielt am Christi-Himmelfahrts-Abend.Für die jüngeren Blutreiter eine willkommene Gelegenheit „patente“ Bauerntöchter kennenzulernen und „mancher hat da e’ Frau g’funde und isch glücklich ’worde’!“

 

 Blutfreitag

 

Maßgeblich hat Hofmann 33 Jahre lang als Gruppenführer seine Blutreitergruppe Binzwangen vorangebracht, blutfreitägliche Feste in der Gemeinde und darüber hinaus initiiert und gestaltet und dabei immer großzügig dafür gesorgt, dass auch gesellige Zusammenkünfte den Gemeinschaftssinn stärkten. Keine Mühe, keinen Aufwand hat er gescheut, wenn es um den Blutfreitag ging. Bis zum Jahre 2005 ist er aufrecht und fromm seiner Gruppe vorangeritten. Bis heute ist der Blutfreitag sein Fest. Er bezeugt mit seinem Leben, dass aus der Hl.-Blut-Verehrung Kraft und Hilfe erwächst, dass sie Not und Schicksalsschläge zum Guten wenden kann und Lebensfreude und Erfüllung stiftet. „Die Gläubigkeit isch’s wichtigste!“
Vor Jahren hat er einmal an Christi Himmelfahrt auf dem Kreuzberg „an leichte’ Herzinfarkt“ erlitten und wurde notärztlich versorgt ins Krankenhaus gefahren. Schon nach Stunden hat er es auf eigene Verantwortung und gegen den Widerstand seiner Angehörigen und der Ärzte wieder verlassen.
Wenigstens auf der Tribüne wollte er beim Blutritt mit dabei sein.An diesem gottgeschenkten Tag wurde ihm die Begegnung mit der Hl.-Blut-Reliquie zu einer besonders innigen und unvergessenen Segenserfahrung. Und auf dieser Tribüne hat er nun mit vielen anderen verdienten Blutreitern seinen Platz, um das höchste Fest des Oberlandes dankbar und festlich zu begehen.

 

Herzlichen Dank Karl Hofmann und Glückwunsch zum 80. Geburtstag.

M. Roth